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Wählerwille, ethnischer Proporz und Frauen in der Politik

Sieger und Verlierer

Bei den Wahlen am 20. September und 4. Oktober gab es auch in Meran Sieger und Verlierer. Beschränken wir uns hier nur auf die Stimmen und Mandate der immer wieder genannten drei Blöcke. Die Liste Rösch/Grüne hat im Vergleich zu 2015 an Stimmen zugelegt (+ 450) und ihre 8 Mandate gehalten. Mit dem erstmals angetretenen Team K, das 1 Mandat errungen und den Ökosozialen Linken, die trotz leichter Verluste ihr Mandat halten konnte, erreicht dieses Listenbündnis, das Paul Rösch als Bürgermeisterkandidaten untersützte, 10 Mandate. Das Listenbündnis La Civica per Merano und Alleanza per Merano mit dem Bürgermeisterkandidaten Dario Dal Medico hat zusammen an Stimmen zwar leicht zugelegt (+31), aber 1 Mandat verloren (Alleanza von 4 auf 5, La Civica von 5 auf 3). Die SVP hat 193 Stimmen und 1 Mandat verloren (von 9 auf 8). 

Bei der Stichwahl hat Paul Rösch im Vergleich zu 2015 leicht zulegen können (+ 56 Stimmen) und trotz der Tatsache, dass Dal Medico außer von den Parteien seines Bündnisses auch von Lega und Fratelli d’Italia (zusammen 2.637 Stimmen im ersten Durchgang) offen unterstützt wurde und auch etliche SVP-Funktionäre offen (Karl Freund) oder insgeheim Werbung für ihn gemacht haben, die Stichwahl knapp gewonnen. Nur der PD (877 Stimmen im ersten Wahlgang) hatte eine eindeutige Wahlempfehlung für Rösch abgegeben. Der Vorsprung betrug zwar nur 37 Stimmen, aber in anderen Gemeinden (Auer und Sterzing) gab es noch knappere Ergebnisse. 

Ethnischer Proporz

Der neue Meraner Gemeinderat setzt sich aus 16 deutsch-, einem ladinischsprachigen und 19 italienischsprachigen Räten zusammen (auf Grund der letzten Sprachgruppen-Zählung hat die deutsche Sprachgruppe einen Anteil von etwas mehr als 50%). Daher muss die Stadtregierung im Verhältnis von 4 italienischsprachigen und drei deutschsprachigen Mitgliedern (Bürgermeister und 6 Referent/innen) erstellt werden. Die Koppelung des ethnischen Proporzes in der Stadtregierung an die sprachliche Zugehörigkeit der Räte (eine Erfindung der SVP) ist ein längst überholter Mechanismus, aber er hat bisher dazu beigetragen, die Wähler/innen nach “deutschen” und “italienischen” Parteien zu sortieren und der SVP bis vor kurzem auch den Alleinvertretungsanspruch auf die “deutschen” Referenten-Stellen gesichert. Interethnische Listen wie die Grünen, bei denen sowohl deutsch- als auch italienischsprachige Räte gewählt werden, sind für die SVP daher ein „Störfaktor“. Vor allem dann, wenn die Wähler/innen, wie im Fall Madeleine Rohrer ein so eindeutiges Votum mit den Vorzugsstimmen zum Ausdruck bringen, dass man es nicht mehr ignorieren kann und nun für die SVP zum Problem werden. 

Die Rechte der Frauen

Die 8 Frauen im Gemeinderat (nur 4 der 11 im Gemeinderat vertretenen Listen haben eine weibliche Vertretung, davon sind 4 von der Liste Rösch/Grüne!) haben Anrecht auf mindestens zwei Assessorate in der Stadtregierung. Die “deutsche” Madeleine Rohrer ist zwar die Meistgewählte unter allen Kandidat/innen, aber wie sogar Julia Unterberger meinte, sei Rohrer “ein Puzzleteil, das nicht passt” (so wird die SVP-Parlamentarierin jedenfalls in den “Dolomiten”vom 23.10.2020 zitiert). Die “passenden Puzzleteile” wollen daher die Männer der frauenlosen Parteien außerhalb des Gemeinderates auswählen und in das von ihnen ausgedachte Machtgefüge einpassen. Der sonst so viel zitierte Wählerwille zählt in diesem Fall nicht, weil “nicht richtig” zum Ausdruck gebracht.

Die von Julia Unterberger vorgeschlagene „kreative Lösung“ sieht vor, dass Madeleine Rohrer vom Bürgermeister „vorübergehend“ mit Sonderaufträgen betraut und in der Stadtregierung ohne Stimmrecht zuarbeiten dürfte. Also eine typisch weibliche, dienende Funktion, die für einen SVP-Mann natürlich vollkommen undenkbar scheint, auch für eine Politikerin, die sich sonst für Frauenrechte einsetzt. 

Der Koalitionspoker 

SVP, Civica und Alleanza per Merano (zwei Blöcke, die bei diesen Wahlen verloren haben), bestehen darauf, dass sie nur als gemeinsame Blöcke, die von Anfang an mit je zwei Referenten in der Stadtregierung vertreten sind, eine Koalition mit der Liste Rösch/Grüne regieren wollen (sie ignorieren sogar die Tatsache, dass es ein Wahlbündnis mit Team K und der Ökosozialen Linken gibt). Die SVP wäre höchstens bereit, einer Erweiterung der Stadtregierung auf 8 Mitglieder zuzustimmen, damit die zwar meistgewählte und kompetente bisherige Referentin Rohrer irgendwann nachrücken kann. Die italienischen Parteien haben allerdings bereits angekündigt, gegen eine Änderung der Gemeindesatzung zu sein und sollte doch eine Mehrheit im Gemeinderat für einen weiteren “deutschen” Assessorenposten zustande kommen, könnte eine bestätigende Volksabstimmung diese Operation um viele Monate verzögern oder verhindern. Die SVP, die kleinste der so genannten drei Blöcke, beharrt darauf, von Anfang an zwei Posten in der Stadtregierung zu besetzen. Da die SVP und die  italienischen Mitte-Rechtsparteien Civica und Alleanza 16 Räte stellen, verfügen sie als  unheilige Allianz über eine Sperrminorität, mit der sie bis jetzt erfolgreich jede Koalition verhindert haben. 

Weil Bürgermeister Rösch eine Koalition aus 24 Mitgliedern, in der er in der Stadtregierung in der Minderheit wäre, nicht akzeptieren kann (das tun SVP-Bürgermeister auch nicht), wurden  andere mögliche Varianten vorgeschlagen. Aber weder die ganz große Koaliotion mit 28 Mitgliedern (Liste Rösch/Grüne, Team K, Ökosziale, PD, SVP, Civica und Alleanza) wurde akzepiert, weil sich die SVP unterrepräsentiert sieht. Noch haben bisher Civica und Alleanza einer Koalition aus 20 Mitgliedern (also ohne die SVP) zugestimmt, weil sie sich eine Regierung ohne SVP nicht vorstellen können. Und dies trotz der Ankündigung der SVP, nach 75 Jahren ununterbrochener Herrschaft in Meran es auch einmal in der Opposition zu versuchen. Obwohl die SVP 2015 ihr Veto gegen eine Beteiligung der Civica in der Regierung eingelegt hatte, haben sich Alleanza und Civica wieder eng an die SVP geschmiegt, in dem Bestreben, Bürgermeister Rösch zum Scheitern zu bringen und Neuwahlen zu provozieren. Der vor den Wahlen geschmiedete Pakt zwischen diesen drei Parteien hat zwar nicht zum Sieg von Stampfl oder Dal Medico geführt, aber zu einer Verhinderung einer Regierung Rösch könnte es allemal reichen.

War das der Wille der Wähler/innen?

Toni Ladurner, 24.10.2020

Die Listen Team K und Ökosoziale Linke unterstützen Paul Rösch

Wichtige Unterstützung für den scheidenden Bürgermeister Paul Rösch: zur Liste Rösch/Grüne gesellt sich auch das Team K und die Ökosoziale Linke.

v.l.n.r.: D. Augscheller, L. Mautone, M. Rohrer, Paul Rösch, A. Rossi, F. Schir, P. Köllensperger

In der heutigen Pressekonferenz stellte Paul Rösch die Listen vor, die ihn bei den kommenden Gemeinderatswahlen unterstützen. Es sind dies neben der Liste Rösch/Grüne auch das Team K und die Ökosoziale Linke.

Paul Rösch bedankte sich dafür, dass Team K und die Ökosoziale Linke darauf verzichten, einen eigenen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen zu schicken und damit auf Sichtbarkeit zu verzichten. „Dies zeige von Reife und politischem Verantwortungsgefühl“.

Paul Köllensperger und Francesca Schir von der Liste Team K gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass mit dieser Entscheidung es möglich werde, den in Meran 2015 begonnen Weg weiterzugehen. „Uns verbinden grundsätzliche Wertvorstellungen, die es weiterzutragen gilt, ohne dass dabei auf unterschiedliche Schwerpunktsetzung verzichtet werden muss.“

Auch David Augscheller und Laura Mautone von der ökosozialen Linken betonten die Wichtigkeit, auf Basis einer ökosozialen Grundausrichtung die großen Herausforderungen der Zukunft gemeinsam anzugehen.

Erleichtert wurde diese Entscheidung – so Team K und die ökosoziale Linke – auch auf Grund der positiven konstruktiven Zusammenarbeit im Gemeinderat in den letzten Jahren: „entgegen der gängigen Praxis hat vor allem der Bürgermeister immer auf Dialog und nie auf Ausgrenzung von Vorschlägen gesetzt hat, die von der Opposition vorgeschlagen wurden.“

Abschließend berichteten Stadträtin Madeleine Rohrer und Vizebürgermeister Andrea Rossi – das Spitzenteam der Liste Rösch/Grüne für die kommenden Gemeinderatswahlen – über erreichte Erfolge ihrer Arbeit der letzten 5 Jahre, aber auch darüber, wie mühsam und zeitaufwendig die Diskussionen auf Grund der heterogenen Zusammensetzung der Mehrheit häufig waren. Sie hoffen, dass in Zukunft mit einer homogenen Mehrheit wichtige Inhalte – wie zum Beispiel klare Maßnahmen gegen den Klimawandel – rascher und effizienter umgesetzt werden können.

Der Bürgermeister zeigte sich zuversichtlich, die Wiederwahl zu schaffen. Die Koalition, die sich heute präsentiert, verfügt über eine zahlenmäßig gute Basis – sie ist zusammen die zahlenmäßig stärkste Gruppe im heutigen Gemeinderat – und sie verbindet nicht ein kurzfristiges politisches Kalkül, sondern solide Grundwerte für eine Zusammenarbeit.